erotische Literatur – die 10 Klassiker
Der gesellschaftlich tabuisierte, prickelnde Werbeträger des 21. Jahrhundert lautet: Erotik und Sex. Der Ruf nach Prüderie als sittsam begrenzte Geisteshaltung von Sitte und Moral, erklingt trotzdem immer wieder, fordert Schweigen über das, was jeder macht, ohne es in Worte fassen zu dürfen.
erotische Literatur ist seit jeher gleichermaßen verpönt wie beliebt
Bereits die Römer und Griechen haben es in der Antike umfangreich und wild getrieben. Erotische Literatur entstand erstmals zwischen 200 bis 300 vor Christus mit dem Kamasutra. 1884 vom indischen Sanskrit ins Englische übertragen, gab Richard Francis Burton den Blick frei auf ein Werk, das im Europa prüdester Anschauung – als Erotiklehrbuch stigmatisiert – Verachtung (und bei manchem größtes Interesse) fand.
Das Werk wurde allerdings nicht geschaffen, um ähnlich einer Baukunst darüber Aufschluss zu geben, welcher Ständer in welchem Winkel am besten in welches Loch passt. Das Kamasutra gilt als ein Werk der Lebenskunst, Partnerwahl und erotischer Liebe und es gehört zweifelsohne zu den wesentlichen Werken der erotischen Literatur. Das Kamasutra beflügelte, skandalumwittert, die sexuellen Phantasien Englands im viktorianischen Zeitalter.
Dabei hatte doch bereits Giovanni Boccaccio im Spätmittelalter 1353 seinen Decameron geschrieben. Eine Zeit übrigens, in der der schwarze Tod unzählige Menschen dahin raffte. Ein zu erwartender Tod scheint die Lust auf sexuelle Ausgelassenheit eher zu verstärken als das Gegenteil zu bewirken. Die Pestepidemie ist, wen wundert es, auch die Rahmenhandlung von Boccacios Werk. In der Nähe von Florenz scharen sich in einem Landhaus 1348 junge Leute zusammen, um der Pest zu entfliehen. Zum Zeitvertreib erzählen sie sich täglich Geschichten. Interessante und unterhaltsame Einblicke der Lebensweise in der Frührennaissance, wechseln mit ernsthaften oder humvorvollen sexuellen Abenteuern. Mit seiner Freizügigkeit und Offenheit hat Boccacio erotische Literatur geschaffen, die weiterhin Interesse erweckt und zur Weltliteratur zählt.
Unvorstellbar lange Zeit, mehr als ein Jahrhundert, hat es gedauert bis John Clelands „die Memoiren der Fanny Hill“ vom New Yorker Tribunal von seiner Verbannung freigesprochen wurde. Geschrieben 1748 im Londoner Schuldnergefängnis erschuf Cleland mit Fanny Hill ein Werk, das seitens der anglikanischen Kirche als obzön und blasphemisch zerrissen wurde. Kopien überdauerten, fortan wurde das Buch heimlich veröffentlicht. In den Siebzigern wurde das Verbot in den USA (im Land der sexuell reserviert begrenzten Möglichkeiten) und in Deutschland immerhin aufgehoben. Bis heute steht es in Australien auf dem Index. Mit beachtlich literarischem Niveau wird es seiner Einstufung als sexuell anregend mehr als gerecht und zählt zu den Großen der erotischen Literatur.
Ein junger Priester und offenbar grandioser Liebhaber hinterließ mit „Memoiren – Geschichte meines Lebens“ 1785 seine Biografie von kulturhistorischem Wert: Giacomo Casanova. Nicht nur konkrete Schilderungen seiner Liebschaften als auch 116 namentlich erwähnte Frauen machen das Werk außergewöhnlich. Sexuelle Potenz und Ausdauer sicherten Casanova seinen erotischen Platz bei den Damen. Charme und Schmeichelei, der fruchtbare Boden für manche Liebschaft, hat seinen Namen in die Welt getragen.
Erotische Literatur? Extrem unmoralisch, gewalttätig und dazu pornografisch, sind die Attribute, die Marquis de Sade u.a. in „Justine oder vom Missgeschick der Tugend“ zugeschrieben wurden. Im Gegensatz zu ihrer Schwester Juliette , die sich nach dem Tod der mittellosen Mutter, als Prostituierte durchschlägt, bleibt Justine tugendhaft. De Sade stellt das krasse und polarisierende Bildnis zweier Frauen auf, von denen die eine im Bordell lebt und zahlreiche Verbrechen begeht, die andere tugenhaft bleibt. Die Tugendhafte stirbt unglücklich, die gesellschaftlich Geächtete dagegen reich und glücklich. Mit diesem Werk hat die erotische Literatur einen Stand erreicht, der auch die Bereiche von BDSM erstmalig literarisch aufgreift.
1928 erschien Lady Chatterleys Liebhaber aus der Feder von D.H. Lawrence. Sir Clifford Chatterley, impotent und an den Rollstuhl gefesselt seit seiner Rückkehr aus den Kämpfen des ersten Weltkrieges, teilt seine junge Frau Constanze mit dem Wildhüter Oliver Mellors, dem sie in obsessiver Leidenschaft verfällt. Als sich Constanze in Oliver verliebt, gestattet Sir Chatterley, dass seine Frau von dem Wildhüter schwanger wird. Das Werk von H.D. Lawrence beschreibt in direkter Weise sexuelle Handlungen, die mit deutlich anstößigen Worten umschrieben werden. Lady Chatterley – verboten und auf den Index gesetzt für lange Zeit in vielen Ländern.
Fünfzehn Geschichten voller Sinnlichkeit und exzessivem Ausleben von Sexualität schrieb Anaïs Nin in „das Delta der Venus“. Aus Geldmangel verfasste Nin im Auftrag eines Privatmannes für einen Dollar pro Seite lustvolle Erotik, um das Leben von sich und ihrem Geliebten, dem bekannten Autor Henry Miller, zu finanzieren. Nicht umsonst galt ihr Buch als das Lieblingsbuch von Männern: hemmungsloser und leidenschaftlicher Sex hat diesem Werk seinen Rang verliehen. Es war nicht die Freiwilligkeit, die Nin dazu brachte, derartige Texte zu verfassen, so sehr sie auch bei den Auftraggebern einschlugen. Aber nicht nur sie, ebenso Henry Millers scheiberische Fähigkeiten nahmen den gleichen Weg. Sex ohne poetische Beigaben, und eigentlich keine erotische Literatur zu erstellen, das waren die Aufgabenstellungen, an die sie sich zu halten hatten. Nin widerstrebte diese Tätigkeit. Mit ironischen Einwürfen, versuchte sie diese Form der Sexualität immer mehr zu karikieren. Henry Miller dennoch lobte ihr Buch als das Schönste, Direkteste und Schamloseste, das je von einer Frau geschrieben wurde.
Mit Sexus gelang Henry Miller ein großer Wurf. Was heute als erotische Literatur Weltruhm erlangt hat, wurde lange Zeit als pornografisches Werk bewertet und verboten. Vulgär und poetisch, humorvoll, phantastisch und über alle Maßen sexistisch, bewies Miller in seinem Werk Einzigartigkeit, die auch den Zeitpunkt seines Todes überdauert.
Lolita entstand 1955. Vladimir Nabokov erzählt die Geschichte des 37-jährigen französischen Literaturwissenschaftlers, Humbert Humbert, der in den Bann der zwölfjährigen Lolita gerät. Die Heirat mit Lolitas Mutter basiert auf der Gier dem Mädchen nah zu sein. Sein unmoralisches und pädophiles Verlangen nach Lolita, findet Ausdruck in seinem Tagebuch, in dem er seine sexuellen Fantasien und Sehnsüchte in Worte fasst. Erotische Literatur als Skandal, nicht zuletzt, weil es Lust und Begierde auf einer pädophilen Grundlage beschreibt, im sexuell verklemmten Amerika mehr als nur eine Schande.
Was Selbstaufgabe, Hörigkeit und sexuelle Unterwerfung bedeuten, zeigt die Geschichte der O von Pauline Reage. Die sadistisch-dominierende Männergestalt führt die masochistisch-unterwürfige Frauengestalt in die SM-Szene ein. Der Sexualneid der Frau soll gebrochen werden, um sie ohne eifersüchtige Bindung an einen festen Partner mit fetischister Tendenz in die tiefen Sphären schmerzvoller Lust einzuführen.
Sexuelle Obsession, von zahlreichen Autoren belegt, hat den Beginn der Menschheit begleitet und begleitet ihn weiterhin. Wer sich fragt, was Erotik und Rennautos gemeinsam haben: sex sells. Oder nicht?
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